Kapitel 11 - Begutachtung der Fahrtuechtigkeit unter Cannabis im Strafverfahren

Mit der Feststellung der Fahruntuechtigkeit infolge eines vorangegangenen Konsums von Cannabis tut sich die Rechtsprechung schwer, wenn nicht eklatante Fahrfehler festgestellt worden sind. Dies liegt unter anderem daran, dass es hinsichtlich der Fahruntuechtigkeit durch Drogen und Medikamente keine Grenzwerte gibt, ab welcher Konzentration eines bestimmten Wirkstoffes in einer Koerperfluessigkeit absolute Fahruntuechtigkeit vorliegt. Deshalb reicht es fuer eine Verurteilung nicht, wenn eine auch noch so erhebliche Menge an wirksamen Substanzen einer Droge oder eines Medikamentes in einer Koerperfluessigkeit festgestellt worden ist. Nach der bisherigen Rechtsprechung in Deutschland kommt nur eine Verurteilung wegen relativer Fahruntuechtigkeit in Betracht, also bei positiver Feststellung rauschbedingter Ausfallerscheinungen. Die Auffassungen, welche Auffaelligkeiten und Merkmale bei einem Fahrzeugfuehrer als drogenbedingte Ausfallerscheinungen zu werten sind, sind zwischen toxikologischen Wissenschaftlern und Juristen strittig und viele Richter der Obergerichte scheinen ueber den Erkenntnisstand der forensisch-toxikologischen Wissenschaft nicht hinreichend informiert zu sein. Obergerichte haben bisher in Faellen, in denen erstinstanzlich nicht erhebliche Ausfallerscheinungen festgestellt worden sind, freigesprochen. Wichtig ist, dass die Polizeibeamten ihre Beobachtungen in geeigneter Form festhalten, so dass sie bei der Beweisaufnahme anlaesslich der Hauptverhandlung entsprechend beruecksichtigt werden koennen. Bei den Anzeichen relativer Fahruntuechtigkeit werden drei Phasen unterschieden, die akute, die subakute und die postakute. Durch eine Reihe von Gerichtsurteilen wurde immer wieder festgestellt, dass die Konzentration von Tetrahydrocannabinol (THC) allein kein geeignetes Beweismittel fuer die Annahme einer absoluten Fahruntuechtigkeit ist. Durch das Forschungsprojekt "Cannabis im Strassenverkehr" (Daldrup, 1996) wurde gezeigt, dass die Hoehe der THC-Konzentration im Serum nicht geeignet ist, die von Polizeibeamten beziehungsweise dem Blutentnahmearzt bei Fahrern beobachtete Fahr- beziehungsweise Verhaltensauffaelligkeiten zu erklaeren. Eine Alternative zur Feststellung der THC-Konzentration im Blut ist der Cannabis Influence Factor (CIF), der das Verhaeltnis von THC und den in der Leber entstehenden Metabolen angibt. Bisher hat der CIF zur Bewertung der Fahrtuechtigkeit noch nicht Eingang in die staendige Rechtsprechung gefunden. Verurteilungen wegen vorsaetzlicher Tatbegehung werden weiter die Ausnahme sein, obwohl die vorsaetzliche Tat nach heutigem Erkenntnisstand bei Fahrten unter Alkohol- und Drogeneinfluss die Regel ist. Bei der Beurteilung der Zurechnungsfaehigkeit als Schuldmilderungs- oder Schuldausschliessungsgrund muss der Richter auf jeden Fall einen Sachverstaendigen beiziehen. Fuer die Beurteilung einer Straftat nach Cannabiskonsum kann es wichtig sein, den genauen Konsumzeitpunkt zu kennen. Die bisher vorgeschlagenen Berechnungsmethoden sind fuer forensische Fragestellungen zu ungenau und die Ergebnisse klinischer Cannabisstudien sind bezueglich des Konsumverhaltens nur bedingt mit der Realitaet vergleichbar. Zur Gesamtaufnahme siehe ITRD-Nummer D346347. (KfV/A)

Language

  • German

Media Info

Subject/Index Terms

Filing Info

  • Accession Number: 01188717
  • Record Type: Publication
  • Source Agency: Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV)
  • ISBN: 3-437-21486-1
  • Files: ITRD
  • Created Date: Oct 7 2010 1:21PM