Franz Dischinger - Visionaer des Brueckenbaus

Franz Dischinger (1887 - 1953) ist insbesondere als Pionier des Beton-Schalenbaus mit richtungsweisenden theoretischen Arbeiten und vielen ausgefuehrten Schalenbauwerken bekannt. Weniger bekannt, aber nicht minder bedeutungsvoll, ist sein vielfaeltiges Wirken auf dem Gebiet des Brueckenbaus. Seit 2009 wird am Lehrstuhl Bautechnikgeschichte und Tragwerkserhaltung der Brandenburgischen Technischen Universitaet (BTU) Cottbus in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefoerderten Forschungsvorhaben Leben und Gesamtwerk Franz Dischingers systematisch unter Einbeziehung auch bisher unveroeffentlichter Archivalien untersucht. Dabei zeigten sich ueberraschende neue und differenzierte Erkenntnisse ueber diese beeindruckende und schillernde Ingenieurpersoenlichkeit. Sein Werk reicht von grundlegenden theoretischen Untersuchungen ueber innovative, detailliert durchgearbeitete Projekte und ausgefuehrte Bauwerke bis hin zu visionaeren Entwuerfen. Neben 15 bislang nachgewiesenen Beteiligungen an ausgefuehrten Bauwerken bearbeitete Dischinger ueber 100 weitere Projekte und Gutachten. In einigen Fallstudien aus Teilbereichen des Brueckenbaus - Stahlbetonbruecken, Spannbetonbruecken und Haenge-/Schraegseilbruecken - werden die brueckenbautechnische Kompetenz und visionaere Kraft von Dischinger beleuchtet. Bei den Stahlbetonbruecken ist als zeitlich frueheste zu nennen die Saalebruecke Alsleben, eine Zweigelenk-Bogenrippenkonstruktion mit Zugband. Mit dem Patent des eingesetzten, vor dem Einbetonieren nachspannbaren Zugbandes machte Dischinger einen ersten Schritt hin zur Vorspannung von Bruecken. Sein kuehner Entwurf der Moselbruecke in Koblenz mit zwei Feldern von jeweils 161,5 Metern im Jahre 1930 nach dem Vorbild der Saalebruecke Alsleben kam leider nicht zur Ausfuehrung. Aehnlich erging es seinem Entwurf der Dreirosenbruecke in Basel, bei dem er die flache Bogenscheibe durch Reduzierung des grossen Horizontalschubs optimierte. Fuer den Spannbeton entwickelte Dischinger eine Vielzahl von Vorschlaegen mit Vorspannung nach dem "System Dischinger". Dabei handelt es sich bis 1949 um Vorspannung ohne Verbund, danach auch um volle und beschraenkte Vorspannung. Die erste Spannbetonbruecke in Deutschland ist die 1936/1937 von Dischinger entworfene Bahnhofsbruecke in Aue, bei der nachspannbare externe Zugglieder zum Einsatz kamen. Schon ab 1941 entwickelte Dischinger Spannbetonbruecken fuer hohe Lasten im Eisenbahnbrueckenbau, die aber damals nicht verwirklicht wurden. Nach dem II. Weltkrieg griff Dischinger auch den Gedanken von segmentierten Spannbetonbruecken in Fertigteilbauweise mit verbundloser Vorspannung auf. Von Dischinger realisierte Bauwerke in dieser Bauweise sind nicht bekannt. Dischinger verbesserte auch das schon seit langem bekannte Hybridsystem aus Haenge- und Schraegseilbruecke, da er erkannte, dass die bisherigen Seilspannungen um ein Vielfaches zu niedrig angesetzt worden waren. Seinen Entwurf des Hybridsystems liess er patentieren und fertigte damit eine Reihe von Entwuerfen an. So auch den Entwurf einer 3.000 Meter weit gespannten Bruecke ueber die Meerenge von Messina. Seine Hybridkonstruktion entwickelte er durch Weglassen der Haenger hin zu einer reinen Schraegseilbruecke, mit deren Theorie er sich schon zuvor auseinandergesetzt hatte. Ausgehend von Dischingers Wettbewerbsentwuerfen von modernen Schraegseilbruecken nahm deren Entwicklung zuegig Fahrt auf. Auch bei der Realisierung dieser Bauweise sammelten spaeter andere Bauingenieure die Lorbeeren ein. Manche seiner anderen Vorschlaege auf dem Gebiet der Konstruktion und Berechnung von Bruecken erweisen sich heute, nach laengerer Pause, als ueberraschend aktuell. Zum Beispiel die Renaissance der externen Vorspannung und die Segmentbauweise oder hybride Schraegseil-Haengebruecken. Dem absoluten Vorrang der konstruktiven Optimierung seiner Entwuerfe stand ein gewisses Desinteresse an gestalterischen Fragen gegenueber, was ihm manchmal zum Vorwurf gemacht worden war.

Language

  • German

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Subject/Index Terms

Filing Info

  • Accession Number: 01514580
  • Record Type: Publication
  • Source Agency: Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)
  • Files: ITRD
  • Created Date: Feb 19 2014 11:14AM