Radkultur und Fahrradkommunikation. Vom Exot zur Regelaufgabe? Teile 1 und 2

Im ersten Teil wird dargestellt, welche Anstrengungen es auf Bundes- und Laenderebene in der Vergangenheit zur Foerderung des Radverkehrs gegeben hat. Es wird festgestellt, dass der Fahrraddiskurs infrastrukturfixiert und wachstumsskeptisch geblieben ist, obwohl der Radverkehr Ende der 1970er Jahre schon einmal in kuerzester Zeit eine Verdoppelung von 6 auf 12 % Marktanteil erreicht hat. Das Auto ist dagegen der Favorit der Medien und der Verkehrspolitik geblieben. In der Autokommunikation werden jedoch selten Sachfragen der Infrastruktur gestellt, sondern Emotionen, Lust, Prestige und Fahrspass stehen im Vordergrund. Das Radlust-Projekt im Jahr 2007 (siehe auch ITRD D360493) wird als Initialzuendung fuer die aktive Fahrradkommunikation gesehen. Die Kampagne konzentrierte sich auf das Radfahren in der Stadt und setzte Bewegungsfreude und Selbstverwirklichung bildhaft in Szene um. Es zeigt sich, dass der Verkehrsdiskurs eine positiv besetzte Kommunikation und die Dimensionen Sichtbarkeit, Involvement und Identifikation braucht. Emotionale Botschaften koennen diese Auspraegungen am besten erreichen. Inzwischen sind Folgeprojekte zum Radlust-Projekt auf dem Weg, doch die aktive Gestaltung der Radkultur ist noch nicht zur Regelaufgabe der Verkehrspolitik geworden. Die Fachwelt hat sich bisher nicht eine breite, offene und kritische Fachdiskussion ueber Fahrradkommunikation zur Aufgabe gemacht. Es werden einige zentrale Strategiefragen formuliert, die helfen sollen, diese Diskussion anzustossen. Kritisch bleibt die Frage nach dem Mindestaufwand, um eine angestrebte Wirkung zu erreichen sowie die Frage der Evaluation. Auch die Fragen, welche Informationsanteile integriert werden und welche Medien genutzt werden sollen rufen Unsicherheit hervor. Wenig erforscht und auch seltener Gegenstand von Kampagnen ist das so genannte institutionelle oder professionelle Verkehrsverhalten im Gegensatz zur Perspektive des individuellen Verkehrsverhaltens, die fast immer in der Fachdebatte dominiert. Beim institutionellen beziehungsweise professionellen Verkehrshalten steht die Frage im Vordergrund, welches Verkehrsverhalten beispielsweise ein Unternehmer bei seinen Mitarbeitern unterstuetzen soll. Auch bei dieser Perspektive spielen emotionale und ideologische Komponenten eine Rolle und werden Verhaltensroutinen aufgebaut. Anhand der beiden Perspektiven werden Anforderungen an eine sinnvolle Fahrradkommunikation und Radkulturinitiativen formuliert. Es zeigt sich, dass fuer die Staerkung des multimodalen Mobilitaetsverhaltens zur Vermeidung von Verkehrskollaps und Minderung der Umweltbelastung neue Symbolfunktionen zu identifizieren und emotional zu verankern sind. Dabei muessen Infrastruktur- und Raumgestaltung, Leitbilder und verkehrspolitische Diskurse, das Verhalten der Verkehrsteilnehmer und die dahinter stehenden Mobilitaets- und Lebenstilorientierungen beruecksichtigt werden. Im zweiten Teil wird insbesondere auf die Notwendigkeit der Zielgruppendifferenzierung bei der Fahrradkommunikation eingegangen. In den 1990er Jahren wurden Mobilitaetsstilgruppen (Leitmilieus) identifiziert, die im Einzelnen charakterisiert werden. Eine rein sozialpsychologische Segmentierung wird jedoch als nicht ausreichend angesehen, da Deutschland durch eine sehr heterogene Gebietskulisse gepraegt ist und deshalb eine regionale und lokale "Erdung" der Kommunikation im Hinblick auf die Metropolen, die Klein- und Mittelstaedte, den laendlichen Raum und die Tourismusregionen noetig sei. Auch kleinraeumige Unterschiede der Verkehrsmittelwahl lassen sich inneroertlich ausdifferenzieren und koennen relevant fuer die Kommunikation sein. So kann unter Umstaenden die Reichweite einer Kampagne nur lokal oder regional sein, die Kommunikation bleibe aber glaubwuerdig und zielgenau. Als wuenschenswert wird fuer eine Kommunikationsoffensive zur Fahrradfoerderung ein zwischen Bund und Laendern sowie den kommunalen Spitzenverbaenden und den Fahrradnetzwerken abgestimmter, mehrjaehriger Kommunikationsansatz betrachtet, bei dem Verkehrs-, Bau-, Umwelt-, Energie- und Gesundheitsressorts inhaltlich zusammenwirken. Vergleichbare, abgestimmte Aktivitaeten hat es fuer die Stadterneuerung und die Energieeinsparung gegeben, hier mit beachtlichem Erfolg.

  • Availability:
  • Authors:
    • MONHEIM, H
    • MUSCHWITZ, C
    • Kofler, P
    • Innerebner, G
  • Publication Date: 2012-9

Language

  • German

Media Info

  • Media Type: Print
  • Features: Illustrations; References;
  • Pagination: pp 8-15&10-4
  • Serial:

Subject/Index Terms

Filing Info

  • Accession Number: 01472042
  • Record Type: Publication
  • Source Agency: Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)
  • Files: ITRD
  • Created Date: Feb 12 2013 9:06AM