Auditive Fusions- und audiovisuelle Fissionsprozesse

Auditive und visuelle Reize koennen vom menschlichen Informationsverarbeitungssystem zu einem gemeinsamen, kohaerenten Perzept der Umwelt integriert werden. Die Wahrnehmung dieser Reize muss allerdings nicht immer aequivalent zur physikalischen Stimulation sein. Beispiele fuer diese Diskrepanz sind Fusionsprozesse in der auditiven Modalitaet sowie audio-visuelle Fissionsprozesse. Mithilfe des Redundanzeffekt-Paradigmas wurde untersucht, ob auditive Fusion einen Einfluss auf Einfachreaktionszeiten haben kann. Der Redundanzeffekt bezeichnet das Phaenomen, dass Probanden ueblicherweise schneller auf zwei redundante imperative Reize reagieren koennen als auf einen einzelnen imperativen Reiz. Neuere Ergebnisse sprechen jedoch dafuer, dass nicht die Anzahl der praesentierten Reize, sondern die Anzahl der Perzepte ausschlaggebend fuer das Auftreten des Redundanzeffekts ist. Wenn der Redundanzeffekt tatsaechlich von der Anzahl der Perzepte abhaengig ist, so sollten dichotisch dargebotene redundante Reize, die zu einem einzelnen Perzept fusionieren, keinen Redundanzeffekt ausloesen. Diese Annahme wurde in zwei Einfachreaktionszeit-Experimenten untersucht, in denen den Probanden entweder nur auf dem linken Ohr, nur auf dem rechten Ohr oder auf beiden Ohren gleichzeitig auditive Reize praesentiert wurden. Die Aufgabe der Probanden war es, so schnell wie moeglich mit einem einfachen Tastendruck zu reagieren, sobald sie einen Ton hoerten, unabhaengig von der Anzahl und dem Darbietungsort der Toene. Ein signifikanter Redundanzeffekt konnte nur fuer diejenigen redundanten Reize beobachtet werden, die in der Lokalisationsaufgabe zu einer hohen Lokalisationsleistung gefuehrt hatten. Mit den beiden dichotischen Tonpaaren, die einen eher geringen Frequenzunterschied zwischen den Einzeltoenen aufwiesen, konnte hingegen kein Redundanzeffet beobachtet werden. Diese Ergebnisse deuten auf einen Zusammenhang zwischen auditiver Fusion und dem Auftreten des Redundanzeffekts hin. Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass auditive Fusionierung von der (Un-)Aehnlichkeit der dichotisch praesentierten Reize abhaengt. Je aehnlicher sich die Reize sind, desto eher fusionieren sie zu einem gemeinsamen Perzept. Fuer imperative Reize, die zu einem gemeinsamen Perzept fusionierten, liess sich kein Redundanzeffekt beobachten. Des Weiteren scheinen Fusionsprozesse bereits auf praeattentiven Ebenen der Informationsverarbeitung stattzufinden. Wenn der Redundanzeffekt tatsaechlich von der Anzahl der Perzepte statt von der Anzahl der Reize abhaengig ist, sollten Probanden auf einen einzelnen Zielreiz, der zwei separate Perzepte hervorruft, schneller reagieren koennen als auf einen einzelnen Zielreiz, der nur ein Perzept hervorruft. Um dies zu untersuchten, wurde die "sound-induced flash illusion" (SIFI) in einem Redundanzeffekt-Paradigma angewendet. Es wurde untersucht, ob der illusorische Wahrnehmungseindruck zweier Lichtblitze zu einem Redundanzeffekt fuehren kann. Als wichtigstes Ergebnis konnte gezeigt werden, dass bei der Gruppe von Probanden, bei denen ein stimulusbasierter Redundanzeffekt aufgetreten war, auch ein illusionsbasierter Redundanzeffekt zu beobachten war. Analog dazu trat bei der Gruppe von Probanden, die keinen stimulusbasierten Redundanzeffekt zeigten, auch kein illusionsbasierter Redundanzeffekt auf. Die Reaktionszeiten waren also nicht davon abhaengig, wie viele Lichtblitze tatsaechlich praesentiert worden waren, sondern viel mehr davon, wieviele Lichtblitze die Probanden wahrgenommen hatten. Insgesamt konnte in den Studien gezeigt werden, dass auditive Fusionsprozesse und audio-visuelle Fissionsprozesse keine reinen Wahrnehmungsphaenomene sind, sondern dass sie Einfluss auf das Verhalten haben koennen. Beitrag zum Workshop "Multisensorische Wahrnehmung" des Fachausschusses "Hoerakustik" der Deutschen Gesellschaft fuer Akustik (DEGA) am 4. und 5. Februar 2011 in Wuppertal. Weitere Beitraege siehe ITRD D368103 und D368105 - D368107.

Language

  • German

Media Info

  • Pagination: 112-4
  • Serial:
    • LAERMBEKAEMPFUNG
    • Volume: 6
    • Issue Number: 3
    • Publisher: SPRINGER-VDI VERLAG
    • ISSN: 1863-4672

Subject/Index Terms

Filing Info

  • Accession Number: 01370414
  • Record Type: Publication
  • Source Agency: Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)
  • Files: ITRD
  • Created Date: May 17 2012 10:00AM