Willy Stoehr - ein Ingenieurleben zwischen Diktatur und Demokratie

Der Beitrag befasst sich mit dem beruflichen Werdegang und dem Lebenswerk des 1905 geborenen Bauingenieurs Willy Stoehr, der massgeblichen Anteil an der Entwicklung des Brueckenbaus in Deutschland hat. Sein Lebenslauf ist exemplarisch fuer das Verhalten vieler deutscher Ingenieure in der Zeit zwischen Nationalsozialismus und Wiederaufbau. Nach dem Studium an der Technischen Hochschule Stuttgart trat Willy Stoehr auf Vermittlung von Emil Moersch, dem er ein Leben lang verbunden blieb, in das Technische Buero der Firma Wayss und Freytag ein. Mit dem Beginn der wirtschaftlichen Depression wechselte Stoehr in den Staatsdienst, kehrte aber schon 1931 wieder in die Privatwirtschaft zurueck. 1934 ging Stoehr in das Brueckenbuero von Karl Schaechterle bei der Obersten Bauleitung der Reichsautobahnen in Stuttgart, wo er auch Fritz Leonhardt kennenlernte und ihm verbunden blieb. In dieser Zeit entwarf Stoehr unter anderem die Eisenbetonbruecken Neckarbruecke Unterboichingen, Donaubruecke bei Leipheim und die Rohrbachbruecke bei Eltingen. 1937 wechselte er zum Tiefbauamt Heilbronn, wo unter seiner Leitung die Planung und der Bau der Rosenbergbruecke, ein Eisenbeton-Dreigelenkbogen, erfolgten. Willy Stoehr arrangierte sich mit den politischen Verhaeltnissen, auch bedingt durch seine Taetigkeit im oeffentlichen Dienst, und wurde in die Partei (NSDAP) aufgenommen. Im November 1939 bewarb er sich auf die Position eines Brueckenreferenten in dem damals neu gegruendeten Warthegau in der Organisation Todt (OT). Hier befasste sich Stoehr mit der neuen Bauweise Spannbeton und entwarf die erste Spannbetongrossbruecke in Deutschland. Einen gevouteten, dreifeldrigen Durchlauftraeger mit einer Mittelspannweite von 80 m und mit einer externen Vorspannung mit hochfesten, patentverschlossenen Brueckenkabeln. Die Bruecke wurde aber wegen der heranrueckenden Roten Armee nicht fertiggestellt. Nach dem Kriege wird Stoehr in Oehringen als selbststaendiger Zivilingenieur zugelassen. Schon im Jahre 1947 zieht es Stoehr wieder in den Dienst der Bauverwaltung nach Heilbronn zurueck. Hier entwirft und baut er drei Leitbauwerke des Spannbetonbrueckenbaus: Dreigelenkrahmen der Neuen Kanalhafenbruecke, elastisch eingespannter Traeger Obere Badstrasse und fugenlos durchlaufender Spannbetonbalken bei Neckargartach. Willy Stoehr war ein Aesthet mit einem Auge fuer die gute Form. Er war pflichtbewussst und feinsinnig, aber nach eigener Einschaetzung verfuegte er nicht ueber das letzte Durchsetzungsvermoegen. Technisch jedoch ragte er weit ueber seine Stellung hinaus. Letztlich konnte er aber sein grosses technisches Potenzial im oeffentlichen Dienst nicht abrufen.

Language

  • German

Media Info

Subject/Index Terms

Filing Info

  • Accession Number: 01359432
  • Record Type: Publication
  • Source Agency: Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)
  • Files: ITRD
  • Created Date: Dec 22 2011 10:16AM