Die Bahnen im Verkehrswettbewerb

In der ersten Haelfte der 90er Jahre wurde von der EU die Liberalisierung der europaeischen Eisenbahnen im Gueterverkehr eingeleitet. Die Richtlinie 91/440 stellte mit der Trennung zwischen Verkehrsleistung und Infrastruktur die Weichen. Jede (staatliche) Infrastruktur steht seither saemtlichen Eisenbahnunternehmen der EU im internationalen Verkehr zur Verfuegung. Der Guetertransport weist bei ruecklaeufigem Schienenanteil dramatische Steigerungsraten auf. Anhand des Alpentransits kann leicht belegt werden, dass dies ein Ergebnis der Verkehrspolitik der EU und der einzelnen Mitgliedslaender ist. Waehrend der Transit auf der Schiene in Frankreich und Oesterreich auf einem bescheidenen Niveau stagniert, sichert die restriktive Verkehrspolitik der Schweiz einen hohen Schienenanteil. Mit den EU-Richtlinien 95/18 und 95/19 wurde den nationalen Bahnen die Moeglichkeit eroeffnet, ihre Dienste im gesamten EU-Gebiet im grenzueberschreitenden Verkehr anbieten zu koennen. Die erwarteten Umwaelzungen und die erhofften Marktanteilsgewinne gegenueber der Strasse sind jedoch ausgeblieben. Um Hindernisse im grenzueberschreitenden Verkehr zu beseitigen, wurde fuer den Hochgeschwindigkeitsverkehr eine Interoperabilitaetsrichtlinie beschlossen. Eine solche liegt auch fuer den konventionellen Verkehr im Entwurf vor. Technische Spezifikationen wurden bisher nicht beschlossen und soziale Bestimmungen sind in beiden Richtlinien nicht vorgesehen. Die bisherigen Liberalisierungsmassnahmen wurden zumeist auf dem Ruecken der Beschaeftigten durchgefuehrt. Es kam teilweise zu einem dramatischen Personalabbau. Oft wird behauptet, die Strasse habe gegenueber der Bahn einen "natuerlichen" Wettbewerbsvorteil, da sie die Erschliessung in der Flaeche ermoegliche. Tatsaechlich resultieren ihre Wettbewerbsvorteile daraus, dass der Strassengueterverkehr auf vielfaeltige Weise quersubventioniert wird, Umwelt- und Unfallkosten nicht angelastet bekommt, extremer Druck auf die Kostenfaktoren Sicherheit und Arbeitnehmer ausgeuebt wird und der Ausbau der Bahnen durch Jahrzehnte vernachlaessigt wurde. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Strassengueter- und Schienengueterverkehr besteht darin, dass auf der Strasse der Grossteil der "Transportintelligenz" beim Lkw-Fahrer liegt, waehrend diese beim Schienenverkehr auf Infrastruktur und deren Logistik konzentriert ist. Die Vernachlaessigung der Bahn hat zu einem Veralten des Infrastruktursystems mit fatalen Folgen fuer die Qualitaet gefuehrt. Zudem gibt es nationale Unterschiede zwischen den Systemen, die nur mit grossem Aufwand ueberwunden werden koennen. Allein innerhalb der EU gibt es fuenf verschiedene Stromsysteme, drei Spurweiten und sieben Signalsysteme. Die EU macht die stockende Bahnliberalisierung fuer den Verlust von Bahnanteilen am gesamten Gueterverkehr verantwortlich. Das Vereinigte Koenigreich, in dem der Schienenverkehrsmarkt vollstaendig liberalisiert wurde, belegt allerdings das Gegenteil. Obwohl Oesterreich im EU-Vergleich hinsichtlich des Modal Split eine guenstige Entwicklung hat, ist auch hier ein hoeherer Anteil des Bahnverkehrs notwendig. Die neue oesterreichische Bundesregierung beharrt darauf, dass Absatz und Infrastruktur der Oesterreichischen Bundesbahnen (OeBB) in eigene Unternehmen ueberfuehrt werden. Damit gingen Synergieeffekte aus der gemeinsamen Behandlung beider Bereiche verloren. Zur Gesamtaufnahme siehe ITRD-Nummer D346189. (KfV/A)

Language

  • German

Media Info

Subject/Index Terms

Filing Info

  • Accession Number: 01187311
  • Record Type: Publication
  • Source Agency: Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV)
  • ISBN: 3-7063-0185-7
  • Files: ITRD
  • Created Date: Oct 7 2010 12:54PM