Anwohnerklage wegen Feinstaub abgewiesen: Ist der Fall erledigt? - zu der Entscheidung des VG Muenchen und dem EU-Recht -

Die EG-Luftqualitaetsrahmenrichtlinie ist unter anderem durch Aenderung des Bundesimmissionschutzgesetzes (BImSchG) in deutsches Recht ueberfuehrt worden. Es enthaelt Grenzwerte, Toleranzschwellen und ermaechtigt die Landesbehoerden zur Aufstellung von Luftreinhalte- und Aktionsplaenen. Der Buerger hat nach deutschem Recht keinen Anspruch auf das Ergreifen konkreter Massnahmen zur Beseitigung von Luftbelastungen. Ein Anspruch kann nur ausnahmsweise geltend gemacht werden, wenn Luftreinhalte- und Aktionsplaene diese vorsehen und die Immissionsschutzbehoerde sie fuer geboten haelt. Gegenueber der Immissionsschutzbehoerde kann lediglich die Verpflichtung zur ermessensfehlerfreien Entscheidung erreicht werden. Um Ansprueche durch direkte Anwendung der EG- Luftqualitaetsrahmenrichtlinie geltend machen zu koennen, muss folgendes erfuellt sein: 1. Die Umsetzungsfrist ist abgelaufen und die Richtlinie wurde nicht oder unzureichend umgesetzt. 2. Die Bestimmungen der Richtlinie beabsichtigen eine Beguenstigung der Buerger. 3. Die Richtlinie muss inhaltlich unbedingt und hinreichend bestimmt sein. Obwohl die Richtlinie unzureichend umgesetzt wurde und die Beguenstigung der Buerger (Gesundheitsschutz) beabsichtigt, ist ihre direkte Anwendung nicht moeglich, da sie den Mitgliedsstaaten Gestaltungsspielraeume fuer konkrete Massnahmen zur Verbesserung der Luftqualitaet einraeumt und dadurch inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist. Aufgrund unzureichender Umsetzung kann aber ein Schadensanspruch in Betracht gezogen werden. Dazu muss Folgendes erfuellt sein: 1. Die Richtlinie wurde nicht fristgerecht oder nicht hinreichend umgesetzt und ist nicht unmittelbar anwendbar. 2. Der Inhalt der Rechte der Buerger ist auf der Grundlage der Richtlinie bestimmbar. 3. Der Verstoss ist hinreichend qualifiziert. 4. Dem Anspruchsteller ist ein ersatzfaehiger Schaden entstanden. 5. Es besteht ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verstoss der Umsetzungspflicht und dem eingetretenen Schaden. Punkt 1 ist erfuellt, da die Pruefung der direkten Anwendung der Richtlinie die unzureichende Umsetzung festgestellt hat, eine direkte Anwendung zur Kompensation aber nicht moeglich ist. Die Rechte des Buergers (Gesundheitsschutz) sind eindeutig bestimmbar und Punkt 2 ist erfuellt. Die Richtlinie fordert zu ihrer Durchsetzung wirksame Sanktionen. Im deutschen Gesetz sind praktisch keine Massnahmen zur Erzwingung der Richtlinieneinhaltung verankert. Deutschland ueberschreitet damit offenkundig erheblich die Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums - ein hinreichend qualifizierter Verstoss liegt vor. Punkt 3 ist erfuellt. Das Vorliegen eines ersatzfaehigen Schadens muss im Einzelfall geprueft werden. Problematisch ist eine Umrechnung in Vermoegenswerte. Da die Richtlinie dem Gesundheitsschutz dient, koennten Zweifel bei reinen Vermoegensschadensanspruechen bestehen. Aufgrund von Gutachten, die einen Zusammenhang zwischen Feinstaubbelastung und Gesundheitsschaeden bestaetigen, kann ein Kausalzusammenhang angenommen werden. Zu einer Beweislastumkehrung fuer den Buerger kann es kommen, wenn Toleranz- und Grenzwerte ueberschritten wurden und Gegenmassnahmen nicht erfolgt sind. Der Geschaedigte muss in jedem Fall der Schadensminderungsobliegenheit genuegen. Eine Schadenersatzklage ist gegen den Bund sowie gegen die Laender und Kommunen moeglich, da sie als Immissionsschutz- und Strassenverkehrsbehoerde fungieren, die die Schaffung von Voraussetzungen fuer einen Anspruch auf Verkehrsbeschraenkung unterlassen koennen.

Language

  • German

Media Info

  • Pagination: 253-8
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Subject/Index Terms

Filing Info

  • Accession Number: 01185318
  • Record Type: Publication
  • Source Agency: Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)
  • Files: ITRD
  • Created Date: Oct 7 2010 11:55AM