Rechtsfolgen zunehmender Fahrzeugautomatisierung

Aus verhaltensrechtlicher Sicht haben sich als wesentliche Unterscheidungsmerkmale verschiedener Automatisierungsgrade die auf das Verkehrsgeschehen fokussierte Aufmerksamkeit des Fahrers und seine staendige Moeglichkeit zur Fahrzeugsteuerung herausgestellt. Die BASt-Projektgruppe "Rechtsfolgen zunehmender Fahrzeugautomatisierung" hat ueber die heute verfuegbaren Fahrerassistenzsysteme hinaus drei verschiedene Automatisierungsgrade identifiziert und begrifflich definiert: Teil-, Hoch- und Vollautomatisierung. Im Fall der "Teilautomatisierung" ist die Aufmerksamkeit des Fahrers staendig auf das Verkehrsgeschehen gerichtet und er hat aufgrund der permanent von ihm durchzufuehrenden Systemueberwachung die Moeglichkeit zur Fahrzeugsteuerung, sodass dieser Automatisierungsgrad den aktuellen verhaltensrechtlichen Anforderungen entspricht. Die verhaltensrechtlich geforderte Aufmerksamkeitskonzentration auf das Verkehrsgeschehen und die moeglicherweise fehlende Moeglichkeit zur Fahrzeugsteuerung stehen jedoch der Nutzung hoeherer Automatisierungsgrade (Hoch- und Vollautomatisierung) derzeit entgegen. Ihre Nutzung ist gegenwaertig nicht mit dem Verhaltensrecht vereinbar, da der menschliche Fahrzeugfuehrer gegen seine Pflichten verstiesse, wenn er sich vollstaendig auf das System verlassen wuerde. Soweit ein Automatisierungsgrad zugleich eine freihaendige Fahrzeugsteuerung vorsieht, beduerfte es der verhaltenspsychologischen Untersuchung, inwieweit dies den Fahrer in der Ausuebung staendiger Vorsicht im Sinne von Paragraf 1 Absatz 1 Strassenverkehrsordnung (StVO) zu beeintraechtigen vermag. Hinsichtlich der Haftung nach dem Strassenverkehrsgesetz erscheint die Beweislastverteilung im Rahmen von Paragraf 18 Absatz 1 Seite 2 Strassenverkehrsgesetz (StVG) in den Faellen hoeherer Automatisierungsgrade (Hoch- und Vollautomatisierung) nicht mehr sachgerecht, soweit dem Fahrer in verhaltensrechtlicher Hinsicht die Ausrichtung seiner Aufmerksamkeit auf andere Taetigkeiten als die konventionelle Fahraufgabe ermoeglicht wird. Die Regelungen zur Haftung des Fahrzeughalters bleiben bei allen Automatisierungsgraden weiterhin anwendbar. In Bezug auf die Produkthaftung zeigt sich im Fall der vollstaendig fahrerueberwachten Teilautomatisierung die Bedeutung der Systemgrenzen. Produkthaftungsrechtlich gewinnt hier die Einordnung des bestimmungsgemaessen Gebrauchs wesentlich an Bedeutung. Zur Absicherung dieses bestimmungsgemaessen Gebrauchs ist die nachhaltige Beeinflussung der Verkehrserwartung beim Benutzerkreis entscheidend, soweit nicht primaer konstruktive Moeglichkeiten nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zur Verfuegung stehen, um unberechtigtes Systemvertrauen auszuschliessen. Bei den hoeheren Automatisierungsgraden, die nicht mehr der Fahrerueberwachung beduerfen (unter der Annahme, ihre Nutzung waere verhaltensrechtlich moeglich), waere jeder Schaden, der nicht auf ein Fehlverhalten Dritter oder eine Uebersteuerung des Fahrers zurueckzufuehren ist, geeignet, Herstellerhaftung auszuloesen. Diesbezueglich spielt die Darlegungs- und Beweislast eine wesentliche Rolle. Sowohl auf Grund der offenen Fragen in der rechtlichen Bewertung als auch uebergreifend zur Verbesserung technischer Ausgangsbedingungen sowie der Gebrauchssicherheit wird von der Projektgruppe weiterer Forschungsbedarf zur Fahrzeugautomatisierung formuliert. Bericht zum Forschungsprojekt 1100.5409013.01 des Arbeitsprogramms der Bundesanstalt fuer Strassenwesen. Der Volltext ist unter http://bast.opus.hbz-nrw.de/volltexte/2012/587/pdf/F83.pdf verfuegbar. Titel in Englisch: Legal consequences of an increase in vehicle automation.The full text and the ENGLISH ABSTRACT are available at http://bast.opus.hbz-nrw.de/volltexte/2012/587/pdf/F83.pdf.

Language

  • German

Media Info

Subject/Index Terms

Filing Info

  • Accession Number: 01449433
  • Record Type: Publication
  • Source Agency: Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)
  • Files: ITRD
  • Created Date: Oct 18 2012 11:20AM