Evaluation des Unfallpräventionsprogramms P.A.R.T.Y

Edukative Strategien sind im Rahmen der Unfallverhütung bei Jugendlichen besonders prominent, ihre Wirksamkeit eher selten evaluiert und es fällt besonders der Einsatz von Furchtappellen auf. Das aus Kanada stammende Präventionsprogramm P.A.R.T.Y. verfolgt das Ziel, unfallbedingte Verletzungen und Todesfälle bei Jugendlichen zu reduzieren. Kern des Programms ist der "P.A.R.T.Y.-Tag", bei dem Schulklassen einen ganzen Tag in einer Unfallklinik verbringen. Sie erleben, welche „Stationen“ ein schwerverletzter Patient innerhalb der Klinik durchläuft und welche Auswirkungen verschiedene Verletzungsmuster haben. Unklar ist, inwieweit sich aufgezeigte Effekte aus internationalen Evaluationsstudien auf Deutschland übertragen fassen. Ziel ist die Überprüfung der Wirksamkeit des deutschen P.A.R.T.Y.-Programms und die Konzeptionierung eines theoriebasierten Wirkungsmodells. Auf Grundlage von Inhalt und Ablauf des P.A.R.T.Y.-Programms wurden Überlegungen angestellt, über welche Wirkmechanismen das Programm Verhalten beeinflussen kann, anhand einer Literaturrecherche anschließend theoretische Konzeptionen identifiziert, welche sich mit den grundlegenden Prozessen befassen, wie Emotionen, Wissen und andere Menschen Einfluss auf das Verhalten von Jugendlichen nehmen können. Anhand der Konzepte sollen mögliche Wirkmechanismen überprüft werden. Zentrale abhängige Variablen zur Überprüfung der Wirksamkeit bildeten verkehrsbezogene Verhaltensweisen und die Verhaltensintention, sich an die Verkehrsregeln halten zu wollen. Im Schuljahr 2016/17 wurde in fünf Bundesländern eine quasi-experimentelle Längsschnittstudie mit drei Befragungszeitpunkten durchgeführt. Es wurden 19 P.A.R.T.Y.-Tage evaluiert, die in sieben unterschiedlichen Unfallkliniken stattfanden. Insgesamt wurden 908 Schüler befragt, davon 574 zu allen drei Messzeitpunkten. Im Durchschnitt waren die Teilnehmer knapp 16 Jahre alt, je 50 % waren männlich beziehungsweise weiblich. Ergänzend wurde eine qualitative Programmevaluation mittels Fokusgruppeninterview durchgeführt. Da sich die einzelnen P.A.R.T.Y.-Tage in der Durchführung stark unterscheiden wurde eine metaanalytisches Auswertestrategie gewählt. Die Ergebnisse zeigen für das P.A.R.T.Y.-Programm kurzfristige statistisch signifikante, aber kleine Effekte. Nach vier bis fünf Monaten hat das Programm weder einen statistisch signifikanten Effekt auf selbstberichtetes verkehrsbezogenes Verhalten, noch auf die die Wirkung vermittelnden psychosozialen Faktoren wie zum Beispiel Selbstwirksamkeit. Weiter deuten die Befunde darauf hin, dass anstelle von Furchtempfinden eher das kognitiv antizipierte Bedauern sowie die wahrgenommene deskriptive Gruppennorm substantiell mit der Intention, sich zukünftig an die Verkehrsregeln halten zu wollen, zusammenhängt. Aus den Ergebnissen der Fokusgruppe lässt sich ableiten, dass die Jugendlichen den auch unter Präventionspraktikern weitverbreitete „Common Sense“ teilen, das Furchtappelle eine wirksame Strategie sind, um Menschen im Allgemeinen und Jugendliche im Speziellen zu schützenden Verhaltensänderungen zu motivieren. Die Befunde aus der quantitativen Wirkungsstudie deuten darauf hin, dass diese weitgeteilte Einschätzung zu kurz greift. Die Evaluationsbefunde zeigen, dass das für die Zielgruppe Jugendlicher entwickelte P.A.R.T.Y.-Programm in seiner vorliegenden Form mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht wirksam ist zur Reduktion riskanter Verhaltensweisen Jugendlicher im Verkehr. Offenbar ist der bisher dem Programm implizit zugrundeliegende Ansatz problematisch, primär auf das Erzeugen von Furcht zu setzen, um Jugendliche zu einer nachhaltigen Änderung riskanter verkehrsbezogener Verhaltensweisen zu motivieren. Aus den Ergebnissen werden Empfehlungen zur Weiterentwicklung und Verbesserung abgeleitet. ABSTRACT IN ENGLISH: Educational strategies for accident prevention among adolescents are particularly prominent, but their effectiveness is rarefy evaluated. Furthermore, the use of fear appeals is particularly noticeable. Apparently, such appeals are considered to be particularly effective approaches to behavioral change. With this strategy, the prevention program from Canada called P.A.R.T.Y. pursues the goal of reducing accidental injuries and deaths among adolescents. The core of the program is die "P.A.R.T.Y. day", in which school classes spend a whole day in an accident hospital. During their visit, they experience which „wards“ a severely injured patient is undergoing within the clinic and what effects various types of injury have. It is unclear to what extent previously identified effects from international evaluation studies can be transferred to Germany. In addition, the processes by which the program is intended to achieve its intended effect are as yet poorly determined. The aim of this study is therefore to examine the effectiveness of the German P.A.R.T.Y. program and to develop a theory-based impact model. On the basis of the content and the procedure of the P.A.R.T.Y. program, theoretical considerations were made as to what impact mechanisms the program can influence the behavior of young people. Then in a literature review, theoretical concepts were identified that deal with the basic processes of how emotions, knowledge and other people can influence the behavior of adolescents. Based en these concepts, potential impact mechanisms of P.A.R.T.Y. are be analyzed. Dependent variables for verifying the effectiveness were traffic-related behaviors and the intention to comply with traffic rules. For this purpose, a quasi-experimental longitudinal study was conducted in nye federal states in the school year 2016/17 with three measurement times. 19 P.A.R.T.Y. days were evaluated at seven different accident hospitals. A total of 908 students were interviewed, 574 at all three times. On average, the participants were almost 16 years old, 50% each were male er female. In addition to the quantitative evaluation, a qualitative program evaluation was conducted by means of a focus group interview. Since the individual P.A.R.T.Y. days differ greatly in their imerementation, a meta-analytical evaluation strategy was chosen. The results show short-term statistically significant but small effects for the P.A.R.T.Y. program. After four to five months, the P.A.R.T.Y. program has neither a statistically significant effect on self-reported traffic-related behavior nor on the effect mediating psychosocial factors such as self-efficacy. Furthermore, the findings suggest that, rather than feeling fear, the cognitively anticipated regret and the perceived descriptive group norm are substantialiy related to the intention to follow the traffic rules in the future. From the results of the focus group it can be deduced that the young people reflect the widespread common sense among prevention practitioners that fear appeals are an effective strategy to motivate people in general and adofescents in particular to protective behavioral changes. The results from the quantitative impact study indicate that this widely shared assessment falls short. From the results recommendations for further development and improvement of the program can be deduced.

Language

  • German

Media Info

Subject/Index Terms

Filing Info

  • Accession Number: 01727554
  • Record Type: Publication
  • Source Agency: Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)
  • ISBN: 978-3-939163-83-1
  • Files: ITRD
  • Created Date: Jan 13 2020 10:55AM