Chancengleichheit im Strassenquerschnitt - oder: Wie breit muessen Verkehrsanlagen sein?

Der Beitrag stellt die Entwicklung von neuen Grundlagen der Querschnittsdimensionierung durch Herman KNOFLACHER vor. Basis fuer die Gehsteigbreiten bildete ehemals die militaerische Marschkolonne und fuer die Fahrbahnbreiten des Kraftfahrzeugverkehrs das Pferdefuhrwerk. Schmale Gehsteige, fehlende Radwege und ueberdimensionierte Fahrbahnen waren die Folge und eine Chancengleichheit der verschiedenen Verkehrsarten gab es nicht. Untersuchungen in Wien und Muenchen zeigten, dass es aus verkehrstechnischer Sicht und aus Gruenden der Verkehrssicherheit keine wesentlichen Bedenken gegen Verkehrsspuren mit einer geringeren Breite als drei Meter gab. Bei der Breitenbemessung von Verkehrsanlagen spielt die gerichtete Bewegung des Menschen eine wesentliche Rolle. Der Mensch ist nicht in der Lage, geringste Abweichungen von der Ideallinie sofort zu korrigieren. Er kann dies erst mit Zeitverzoegerung und bei groesseren Abweichungen. Aus einer Untersuchung ueber das Seitenabstandsverhalten ging hervor, dass die Haeufigkeitsverteilung der Seitenabstaende durch die in der Verkehrsplanung uebliche Gausssche Normalverteilung nicht beschrieben werden kann. Hermann KNOFLACHER verwendete dafuer die aus der Biologie bekannte Laplace-Funktion. Die Faehigkeit des Menschen, kleine Seitenabweichungen wahrzunehmen, ist eine grundlegende Voraussetzung fuer die Benutzung nicht spurgefuehrter Fahrzeuge bei hoeheren Geschwindigkeiten und noch vertretbaren Fahrstreifenbreiten. Das Verhalten bei der gerichteten Bewegung auf Verkehrsflaechen diente als Grundlage fuer alle weiteren Untersuchungen fuer die Breitendimensionierung von Fahrbahnen, Gehsteigen und Radfahranlagen, die auf Auswertungen von Reihenaufnahmen, durchgefuehrt mit einer Motorkamera, und auf Feldbeobachtungen beruhten. Empirisch konnte mehrfach nachgewiesen werden, dass breite Strassen zu schnellem Fahren anregen. Der Zusammenhang zwischen Fahrbahnbreite, Geschwindigkeit und Schwankungsbreite bot die Moeglichkeit, angepasste Breiten fuer die spaeteren Betriebsgeschwindigkeiten fuer den Kfz-Verkehr zu bestimmen. Das Risiko bei zu breiten Fahrstreifen liegt in der Erhoehung der Geschwindigkeit, bei einer Unterschreitung der zweckmaessigen Fahrstreifenbreite kommt es dagegen zu einer Reduktion der Fahrgeschwindigkeit und eventuell zu einer Leistungsminderung. Die auf Verhaltensweisen bezogenen Ansaetze zum Breitenbedarf wichen von jenen der Richtlinien grundsaetzlich ab. Moeglich wurde es jedoch, einen Querschnitt fuer Fussgaenger, Radfahrer und Autofahrer so zu waehlen, dass fuer alle drei die gleiche Ausgangsbasis beziehungsweise "Unbequemlichkeit" entsteht. Einer fuenf Meter breiten Fahrbahn entsprechen etwa 2,6 Meter breite Gehwege beziehungsweise zweispurige Radwege. Angemessen dimensionierte Fahrbahnen sind neben der prinzipiellen Bereitstellung von Raeumen fuer die nicht motorisierten Verkehrsteilnehmer eine wesentliche Massnahme, um die Chancengleichheit im Strassenraum zu erhoehen. Zur Gesamtaufnahme siehe ITRD D361946. (KfV/A)

  • Availability:
  • Corporate Authors:

    TECHNISCHE UNIVERSITAET WIEN, INSTITUT FUER VERKEHRSPLANUNG UND VERKEHRSTECHNIK

    ,    
  • Authors:
    • Schopf, J M
  • Publication Date: 2008

Language

  • German

Media Info

  • Pagination: 119-35
  • Monograph Title: Verkehrswesen - von der Zunft zur Wissenschaft. Festschrift. Seminar veranstaltet vom Institut fuer Verkehrsplanung und Verkehrstechnik der Technischen Universitaet Wien am 20. Oktober 2008
  • Serial:

Subject/Index Terms

Filing Info

  • Accession Number: 01327508
  • Record Type: Publication
  • Source Agency: Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV)
  • ISBN: 978-3-9501909-6-0
  • Files: ITRD
  • Created Date: Jan 19 2011 11:55AM